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Die Macht der Lehrer*innen

Schon länger beschäftigt mich dieses Thema. Zum einen, weil mir meine Kinder immer wieder vom Verhalten und von Aussagen der Lehrer erzählen, die mich sehr nachdenklich stimmen und zum anderen, weil ich in meinen Ausbildungen ja selbst auch Lehrerin bin.

Ein*e Lehrer*in kann eine Tür öffnen, die mich in meine Selbstverwirklichung führt. Er*sie hat aber ebenso die Macht, Türen zu verschließen, was mich in Angst, Selbstzweifel und mit einem sehr kleinen Selbstwertgefühl durchs Leben gehen lässt.

Ein*e Lehrer*in kann meine Potenziale fördern, oder sie unterdrücken.

Ein*e Lehrer*in kann das sehen, was in mir steckt, oder es übersehen.

Würden sich dessen alle bewusst sein und die Narben sehen, die sie mit ihrem Verhalten und ihrer Kommunikationsweise anrichten, dann würden sie sie vermutlich ändern.

Sobald wir in die Schule kommen, wir wissen noch nicht, was uns erwartet. Doch wir sind offen, bereit und gewillt zu lernen.

Im besten Fall bekommen wir eine*n Lehrer*in, den*die wir sehr mögen, der*die gut erklären kann und der*die einen großen Beitrag dazu leistet, dass wir gerne in die Schule gehen.

Im weniger guten Fall sind wir bereits vom ersten Tag an mit einem*einer Lehrer*in konfrontiert, der*die uns einfach nicht entspricht. Entweder mag er*sie uns nicht, seine*ihre Art zu unterrichten entspricht uns nicht oder wir passen einfach nicht zusammen.

Es kann auch vorkommen, dass wir im Laufe unserer Schulkarriere viele Lehrer*innenwechsel haben. Und auch da macht es einen großen Unterschied, ob uns das traurig macht oder glücklich.

Aus diesem Grund halte ich nicht viel von der Meinung, dass es wichtig und gut sei, dass ein*e Lehrer*in immer der*dieselbe bleibt. Klar, für einige ist es richtig, für andere hingegen ist ein  Lehrer*innenwechsel ein Segen.

Diese Zeilen liegen mir so  am Herzen, weil es mir wichtig ist das Bewusstsein dafür zu schärfen, wie viel Gutes und Wertvolles ein*e Lehrer*in in jedem*jeder Schüler*in hinterlassen kann.

Ist es uns als Lehrer*in – und damit meine ich jede Art von Lehrer*in (Professor*innen, Eltern, Menschen, die unterrichten, spirituelle Lehrer*innen, alternative Lehrer*innen, usw.)  – bewusst, welche Macht und welchen Einfluss wir haben? Ja? Dann dürfen wir das Geschenk, lehren zu dürfen, in Achtsamkeit, Demut und Respekt gegenüber jedes*jeder einzelnen Schülers*in leben.

Ein*e Lehrer*in ist ein Vorbild, an dem*der sich ein*e Schüler*in orientiert. Wir können von einem*einer Schüler*in kein Verhalten verlangen, das wir selbst nicht vorleben.

 Was wir lehren, bringt in den Schüler*innen etwas in Bewegung. Wie wir etwas lehren, hinterlässt eine Spur, einen Abdruck in den Schüler*innen. Wie wir sie bewerten, hinterlässt die größte Spur.

Es gibt eine wunderbare Geschichte von dem Mann, der die Schreibmaschine erfand. Als kleiner Junge brachte er seiner Mutter einen Brief des Lehrers mit nach Hause. Die Mutter öffnete ihn erzählte ihrem Sohn, dass er die Schule wechseln müsse, da er sehr intelligent sei und diese Schule ihn unterfordern würde. Er wäre zu Großem geschaffen und könne in seinem Leben ganz viel erreichen.

So wechselte der Sohn die Schule, ging seinen Weg und wurde ein sehr erfolgreicher  Erfinder. Als seine Mutter starb, fand er den Brief und erschrak. Im Brief stand genau das Gegenteil dessen, was seine Mutter ihm erzählt hatte. Der Lehrer schrieb, dass ihr Sohn ein Taugenichts sei und er von der Schule geworfen wurde.

Ich liebe diese Geschichte und frage mich, was wohl passiert wäre, wenn die Mutter ihm den wahren Inhalt des Briefes vorgelesen hätte. Wäre er ebenso ein große Erfinder geworden? Wir wissen es nicht. Es ist auch nicht wichtig darüber nachzudenken. Aber ich bewundere die Weisheit der Mutter, die schon damals wusste wie bestärkend es ist, das Gute und die Fähigkeiten der Kinder zu beschreiben, zu unterstreichen, zu stärken und zu fördern.

Diese Geschichte habe ich auch einmal einer Lehrerin erzählt, als sie ins Zeugnis unseres Sohnes schreiben wollte: „Im nächsten Schuljahr wird er große Schwierigkeiten haben“.

Stimmt, ich reagiere auf Wortspiele sehr sensibel. Doch: Können wir Lehrer*innen die Zukunft voraussagen? Wissen wir wirklich, wie sich ein Kind, ein*e Schüler*in entwickeln wird oder projizieren wir unser eigenes hinein?

Und so macht es eben einen großen Unterschied, ob, wie in diesem Beispiel, im Zeugnis „er wird“ oder „er könnte“ steht.

Mittlerweile wird diesbezüglich schon einiges an Reformationen geleistet. In den Oberschulen jedoch steckt die Reformation noch in den Babyschuhen. Wenn ich Aussagen höre wie: „Ich habe wohl die Arschkarte gezogen mit eurer Klasse“, oder „Aus euch wird wohl nichts werden“ (wobei sie da eh Recht haben, denn wir müssen in der Tat nichts werden, weil wir schon alles sind!), dann werde ich schon nachdenklich.

Genauso wenn ich von Kindern höre, die aufgrund ihrer Hautfarbe von der Lehrerin vor der ganzen Klasse bloßgestellt werden…dann ist mein Mitgefühl sehr groß.

Oder wenn mir zu Ohren kommt, dass die Anliegen der Schüler*innen bei den Direktor*innen nicht ernst genommen werden. Bei all diesen Geschichten frage ich mich: Mit welchem Respekt treten wir Schüler*innen gegenüber und welche Größe trauen wir ihnen zu?

Geht es darum, das gute Bild im Außen aufrecht zu erhalten, oder geht es darum, den Schüler*innen eine bestmögliche Vorbereitung aufs Leben zu bieten? Sollte es nicht vielleicht doch darum gehen, Potenziale zu fördern, statt mit Benotungen zu drohen und darüber Macht auszuüben?

In einem Channeling sagt die geistige Welt einmal zu einem sehr jungen Schüler, dass eine Note nur einen Aspekt einer Leistung beschreiben würde. Eine Note müsste aus ganz vielen Noten bestehen, um eine Leistung aus ganzheitlicher Sicht benoten zu können. Das wäre dann die gerechte Benotung. Es geht also um einen differenzierten Blick, nicht um ein starres Verteilen von Noten aufgrund von im Moment sichtbaren Leistungen.

Der enorme Druck, der bei vielen Jugendlichen entsteht, ist für viele zu viel. Sie können und wollen ihn nicht mehr aushalten. Immer mehr, immer schneller, immer besser…viele sind dazu nicht mehr im Stande.

Und ich finde es auch sehr bedenklich, dass viele die Unterstützung und Hilfe der Eltern abweisen, weil sie Angst haben, dass die Lehrer*innen das am Ende wiederum gegen sie verwenden könnten.

Ich schreibe hier als Mutter, als Lehrerin (auch wenn ich in keiner Schule unterrichte) und eine Tochter eines Lehrers. Ich bin so dankbar, in meiner Arbeit viele Lehrer*innen zu begleiten, die eine wunderbare Arbeit leisten. Denn es braucht Lehrer*innen der neuen Zeit in allen Berufsbildern.

Ich würde mir wünschen, dass jede*r Politiker*in, jede*r Lehrer*in und jedes Elternteil für einen Monat die Schulbank drückt und im Umfeld der Schüler*innen das leistet, was diese jeden Tag tun. Vielleicht wäre das der Weg einer großen Revolution, die zu einer Reformierung alter, überholter Erziehung-und Lehrmethoden führt.

Ich glaube ganz fest daran, dass jede*r Lehrer*in seinen*ihren Berufsweg mit großem Herzen und einer Vision begann. Vielleicht geht es darum, sich wieder daran zu erinnern, warum wir dieses Berufsbild gewählt haben.

Ging es darum, dass wir ein*e bessere*r Lehrer*in sein wollten, als es unsere war(en)? Wollten wir den Kindern zur Seite stehen? Was war unsere Motivation? Und welche ist es heute noch? Macht mich mein Beruf vielleicht nicht mehr glücklich? Möchte ich etwas anderes tun, doch mir fehlt der Mut dazu? Oder fühle ich mich ebenso wie die Schüler*innen so sehr unter Druck gesetzt, zum Beispiel von all den Regeln und Vorschriften?

Ich glaube auch daran, dass jeder sein Bestmögliches gibt.

Und ich glaube auch daran, dass es an der Zeit ist uns bewusst zu sein, wieviel und welchen Einfluss wir als Lehrer*in haben.

Jugendliche sind Kinder, die sich darauf vorbereiten erwachsen zu werden. Sie sind noch nicht erwachsen. Manchmal haben sie ähnliche Bedürfnisse wir Babys. Mögen wir einander respektvoll begegnen und unsere Worte gut wählen, denn sie hinterlassen Spuren, die wir zwar nicht sehen, doch die sich massiv auf unser Leben auswirken können.

Wir können Türöffner oder Türverschliesser sein. Wir können potenzialorientiert begleiten, oder auch fehlerorientiert.

Wäre es nicht schön, als Lehrer*in zu wissen, dass es Schüler*innen gibt, die im hohen Alter immer noch voller freudiger Erinnerung erzählen: „Ich hatte ein*e Lehrer*in, die an mich geglaubt und mich während meines ganzen Lebens begleitet hat.“

Ich schreibe diesen Artikel für alle Schüler*innen und für alle Jugendlichen dieser Erde, damit sie Gehör finden, denn sie sind die Zukunft. Und es sind die Kinder der neuen Zeit. Die alte Schule passt für sie nicht mehr, ihr können sie nicht folgen. Nicht weil sie es nicht wollen, sondern weil sie mit ganz anderen Geschichten auf die Welt kommen.

Es geht nicht darum, dass sie sich anpassen müssen, das versuchen sie ja schon. Es geht jetzt darum, dass wir uns für ihr Bewusstsein öffnen! Dann kann Verständnis beidseitig sein.

Mögen wir einander respektvoll begegnen, Worte bedacht wählen und uns erinnern, wie machtvoll wir sind.

In Liebe Miriam